Vor 50 Jahren: Von der Werkhalle zur Kirche

Unter dem Motto "Von der Werkhalle zur Kirche" feierte die Gemeinde Göttingen am Samstag, 28. Juni 2008, auf den Tag genau das 50-jährige Bestehen ihrer Kirche. Seit der Gründung der Gemeinde im Jahr 1906 ist die heutige Kirche in der Weender Landstraße nach verschiedenen Versammlungsstätten die erste eigene Kirche. Der historische Tag, an dem vor genau 50 Jahren der Einweihungsgottesdienst mit Bezirksapostel Hermann Knigge stattfand, wurde mit einem kleinen Fest begangen.

Im Jahr 2006 konnte die Gemeinde Göttingen auf 100 Jahre Gemeindegeschichte zurückblicken (Link zum Jubiläum). In diesem Jahr feierte die Gemeinde auf den Tag genau ihr 50-jähriges Kirchenjubiläum. Bezirksapostel Hermann Knigge weihte die erste eigene Kirche in der Weender Landstraße am Samstag, 28. Juni 1958.

Ab 1906 wurden in verschiedenen Versammlungsstätten in Göttingen Gottesdienste der Neuapostolischen Kirche durchgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder stark an. Aus räumlichen Gründen wurde daher in der Zeit von 1952 bis 1958 eine vorübergehende Teilung der Gemeinde erforderlich. Die Sonntagvormittags-Gottesdienste fanden nun parallel in der Mauerstraße 21 ("Göttingen-Mitte") und in der Egelsbergschule ("Göttingen-West") statt. 1957 wurde man auf der Suche nach einem geeigneten Gebäude fündig. Eine Werkzeugmaschinenfirma in der Weender Landstraße verlagerte ihren Betrieb nach Kassel. Das als Werkhalle genutzte Gebäude war nach genauer Prüfung für die notwendigen Umbaumaßnahmen geeignet. Die Werkhalle und das dazugehörige Grundstück wurden noch im gleichen Jahr erworben und mit den Baumaßnahmen begonnen. Nach Abschluss des umfangreichen Umbaus der Werkhalle konnte die Kirche am Samstag, 28. Juni 1958, geweiht und die beiden Standorte in der neuen Kirche wieder vereint werden. Am Einweihungsgottesdienst zählte man damals 767 Teilnehmer. Als Text- und Segenswort für die Gemeinde legte Bezirksapostel Hermann Knigge den 122. Psalm zugrunde, der überschrieben ist mit "Ein Segenswunsch für Jerusalem. Von David, ein Wallfahrtslied".

Das Kirchenjubiläum nahm die Gemeinde nun zum Anlass, durch ein kleines Fest am28. Juni 2008 mit Gemeindemitgliedern, Nachbarn und interessierten Mitmenschen an das historische Ereignis vor 50 Jahren zu erinnern. Ein festlicher Blumenschmuck mit einer "50" zierte den Altar im Kirchenschiff. Der Vorsteher der Gemeinde, Bezirksevangelist Marco Scheuchzer, begann den Nachmittag mit Gebet und einigen einleitenden Worten zum schönen Anlass dieses Festes, zu dem etwa 130 Glaubensgeschwister und Gäste gekommen waren. Nicht das Kirchengebäude an sich gibt den Anlass zum Begehen dieses Tages, sondern Dankbarkeit Gott gegenüber, der in dieser Kirche früher wie heute segnet, und Dankbarkeit den Glaubensgeschwistern gegenüber, die zuvor in der Gemeinde gewirkt haben.

Das Programm umfasste abwechslungsreiche Wort- und Musikbeiträge. Ein Kirchennachbar, der leider nicht teilnehmen konnte, überbrachte mit einem sehr persönlichen Brief, der verlesen wurde, seine Glückwünsche. Dies gab auch den Anstoß, das Gelände, auf dem die Kirche steht, nochmals näher zu betrachten und den Anwesenden auch Nachdenkliches vorzustellen: Von 1912 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges befand sich dort auf dem etwa 16.000 qm großen Fabrikgelände das Unternehmen der jüdischen Familie Hahn, die im Nationalsozialismus ruiniert, verfolgt und bis auf wenige Mitglieder der jüngeren Generation ermordet wurde. Die Namensgebung und das Logo des Fachmarktzentrums hinter der Kirche erinnern noch heute an die Familie Hahn.

Das Gemeindeorchester brachte im weiteren Verlauf des Programms drei Bach-Choräle zum Vortrag, eine heitere und zugleich nachdenkliche Kurzgeschichte mit dem Titel "Alles, was du wirklich brauchst, hast du schon als Kind gelernt" folgte. Im Interview mit dem vierten Gemeindevorsteher Göttingens (1986 - 1998), Hirte i. R. Walter Geffers, wurde nochmals die Zeit vor dem Erwerb der Werkhalle beleuchtet.

Vor der Pause sang der Bezirksseniorenchor vier Lieder, die überwiegend auch 1958 im Einweihungsgottesdienst zum Vortrag kamen. Persönliche Erlebnisse des Dirigenten aus seiner Anfangszeit in Göttingen sorgten zwischen den Liedern für Heiterkeit.

In der Pause mit Kaffee und einem bunten Kuchenbuffet kam es im Gemeinschaftsraum, der liebevoll dekoriert war, zu vielen Begegnungsmöglichkeiten und regem Gedankenaustausch. Im Kirchenfoyer gab es an einer Bilderstellwand mit historischen Bildern Verweilmöglichkeiten. So waren beispielsweise die verschiedenen Renovierungsphasen des Gebäudes und die beiden Stammapostelbesuche in der Kirche (1963 und 1971, jeweils Stammapostel Walter Schmidt) abgebildet. Infowände informierten über die Neuapostolische Kirche und das Gemeindeleben. Selbst gebastelte Windlichter mit verschiedenen Innen- und Außenansichten der Kirche in den letzten 50 Jahren, die durch das Kerzenlicht sichtbar wurden, fanden viele Abnehmer.

Erstaunliches und Neues konnte auch in der Pause erfahren werden, denn die anwesenden Nachbarn berichteten von einer vormaligen Nutzung des Gebäudes zur Zeit des Zweiten Weltkriegs als Kriegsküche.

Der Multimedia-Vortrag nach der Kaffeepause dokumentierte mit vielen Bildern und Informationen aus alter und neuer Zeit nochmals eindrucksvoll die 102-jährige Gemeindegeschichte mit vielen Höhepunkten und schloss damit auch an das Jubiläumsjahr 2006 an. Mit der klangvollen kombinierten Computer-Pfeifen-Orgel der Gemeinde, zu der auch einige nähere Informationen und persönliche Erlebnisse eingebracht wurden, begann und endete dieser gelungene Nachmittag.

Im Hinblick auf den folgenden Gottesdienst für Entschlafene (5. Juli) hatte die kleine Jubiläumsfeier eine nachhaltige Wirkung: eine herzliche Verbindung zu denen, die durch ihre Einsatzfreude und Opferbereitschaft dafür sorgten, dass die Gemeinde Göttingen entstehen und wachsen konnte und dass schließlich in der Stadt eine Kirche gebaut werden konnte. Und auch zu den Seelen, die auf dem Gelände ebenfalls mit Fleiß wirkten und ihr irdisches Leben lassen mussten, suchte man die Verbindung.

akli. / Fotos TK